FEDER UND BLOG

Verhätscheln macht krank
14.04.16

Ohne Herausforderungen werden Kinder zu Nichtskönnern und Versagern. Eine harte Aussage, die nicht von mir stammt, sondern von Albert Wunsch, einem deutschen Erziehungswissenschaftler und Hochschullehrer. Aber als ich neulich an einem Forum hörte, wie die Kinder verhätschelt werden, brachte mich das ins Grübeln. Und wenn ich ehrlich bin, bestätigten die Ergebnisse meinen Eindruck. Die Kinderzimmer sind randvoll mit Spielzeug, in der Garage stehen Fahrrad, Scooter, Ski, Snowboard, Minitraktor, Bagger, Dreirad, Bobbycar – und davon natürlich mehrere. Beim Einkaufen kreischt und quengelt der Vierjährige so lange, bis die Mutter ihm die Gummibärchen in die Hand drückt. Weinen tut dabei nicht das Kind, sondern die Mutter. Weil sie mit den Nerven am Ende ist. «Das will ich jetzt. Das mag ich nicht. Dann mach’s doch selber.» Alles Standardsätze aus der Kinderwelt. Manchmal habe ich das Gefühl, die Kinder erziehen die Eltern und wir behandeln sie, als wären sie aus Glas. Dabei sind Kinder viel robuster als wir Erwachsenen. Nur weil sie mal vom Mäuerchen fallen oder sich den Kopf am Tisch stossen, zerbrechen sie noch nicht. Sie könnten alleine spielen, wäre Mami nicht allzeit bereit. Und sie hätten ihre Eltern bestimmt noch lieb, auch wenn sie nicht alles sofort bekommen. Das erinnert mich wieder an das Forum: «Überfürsorge kann krank machen.» Laut WHO hat es noch nie zuvor so viele Kinder gegeben, die psychologische Beratung benötigen. Und das wirke sich, so die Experten, bis ins Erwachsenenalter aus. Ihnen fehle später die Ausdauer, sie resignieren, haben Angst vor neuen Aufgaben, sind konsumsüchtig und das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten würde verloren gehen. Da frage ich mich: Wie soll so eine Generation das Leben stemmen? Das Leben, das nicht nur aus Wunsch und Haben besteht? Wer manchmal den Kopf anschlägt, entbehrt und für sich selbst einsteht, wird es später leichter haben. Weil er gestärkt dahin gekommen ist. Das war früher so, und das wäre auch heute noch so. Vielleicht haben wir einfach etwas Entscheidendes vergessen: Verändert haben sich nicht die Kinder, sondern die Eltern. Sie haben diesen Überfürsorge-Mechanismus entwickelt. Statt also ständig die Kinder zu analysieren, sollten wir nicht eher damit beginnen, an uns zu arbeiten?

Im FamilienSpick ist ein Artikel zu diesem Thema erschienen (Nr. 10-2016). Lesen Sie ihn hier.