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So könnte es aussehen, wenn Weihnachten ihren Ursprung im Heute hätte…
20.12.18

Maria und Josef hausen in einer modernen «Hütte». Sie ist aus Beton und hat ein Flachdach. Das Wohnzimmer ist grosszügig, im Cheminée flackern die maschinell zugeschnittenen und online bestellten Scheite aus Buchenholz. Der Christbaum ist üppig geschmückt, darunter eine Vielzahl Geschenke. Das Kindlein liegt in der Wiege und weint. Maria versucht es zu trösten, Josef sucht den Lieblings-Nuggi, abwechselnd tragen sie es durch den Raum. Ihre Aufmerksamkeit gehört vollends dem Kinde.

Plötzlich klingelt es an der Haustüre, Josef macht auf. Ein Mann in schicken Klamotten und mit freundlichem Gesicht steht vor ihm. Und doch wirkt er etwas verloren. «Bitte entschuldigen Sie die Störung, aber ich musste einfach weg. Weg von allem.» Ohne weiter nachzubohren, bittet ihn Josef herein. Im Wohnzimmer sieht er das schreiende Kind. «Haben Sie es schon mal mit dem Buch ‚Wie Kinder schlafen lernen’ versucht?» Josef starrt ihn verdattert an. «Vergessen Sie’s, bei unseren Kindern hat das auch nicht funktioniert. Aber Sie könnten ein Babyphone einrichten, um wenigstens in der Stube Ruhe zu haben.»

Kaum hat sich der Mann hingesetzt, klingelt es erneut an der Tür. Ein abgemagerter, dunkelhäutiger Mann steht vor der Tür. Er zittert am ganzen Leib. Ohne zu fragen, winkt ihn Josef herein. Sofort hockt er sich im Schneidersitz auf den Boden und wärmt sich die Hände am Cheminée. Währenddessen redet der Geschäftsmann wild auf Maria ein. Er habe ein Burnout, alles sei ihm über den Kopf gewachsen, Familie wie Beruf. Dann nimmt er das Handy aus der Hosentasche und wischt nervös darauf hin und her. Inzwischen kniet der Fremde auf dem Boden und betet. Maria legt ihm eine Decke über die Schultern. In seiner Hand hält er ein Foto, darauf ist eine junge Frau mit einem kleinen Mädchen zu sehen. Er schaut auf und nickt dankend.

Das Kind weint noch immer. Da ertönt ein energisches Klopfen an der Tür. Ein Mann mit Anzug und Krawatte streckt Josef wortlos ein Papier entgegen. Darauf steht: «Illegale Niederkunft in der Schweiz. Wir müssen den syrischen Flüchtling ausschaffen.» Hinter dem Beamten springt ein Journalist hervor, knipst Fotos und löchert Josef mit etlichen Fragen. Während er noch immer das Gedruckte zu verstehen versucht, späht der Beamte ins Haus und sieht seinen Arbeitskollegen wild gestikulierend mit Maria. «Verflixt, ich komme zu spät, der übereifrige Neue will sich wieder profilieren. Ohne noch etwas zu Josef zu sagen, reisst er ihm das Papier aus den Händen und macht sich verärgert davon.

Verdutzt kehrt Josef ins Wohnzimmer zurück. Der junge Mann aus der Fremde ist vor dem Cheminée eingeschlafen, auch der Beamte hat sich beruhigt und nippt an der Tasse Tee. Maria beobachtet die beiden verlorenen Seelen. Endlich scheint Ruhe einzukehren, auch das Kind hat aufgehört zu weinen. Sie fragt Josef, wer an der Tür war. Da streicht er ihr sanft über die Wange: «Ich weiss es nicht so genau, aber ist auch nicht wichtig. Kümmern wir uns lieber um unsere Gäste.»

2000 Jahre mögen so manches verändert haben, nicht aber die Nächstenliebe. Wir sollten sie alle nur viel öfter anwenden.

 

Bildquelle:
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